Rochen und Seepferdchen (Die vierte Schlacht um Ganymed) Raumschiffe und U-Boote haben einige Gemeinsamkeiten, obwohl es zwischen ihnen auch einige Unterschiede gibt, vor allem, was ihre direkte Umgebung betrifft. (Ausspruch modifiziert und geklaut von Hans Kneifel.) Obwohl die Erde das erklärte Ziel von außerirdischen Invasoren ist, finden die meisten Schlachten um die Herrschaft über unser Sonnensystem bei den äußeren Planeten statt. Das ist zu mehr oder wenigen gleichen Teilen der terranischen Raumüberwachung, und dem Vorhandensein des Planetoidengürtels zu verdanken. Space Commander Graf Frederik von Hombug befand sich mit seinem Shuttle gerade im erdnahen Orbit (LEO), als ein Funkspruch eintraf: "Irgend ein durchgedrehter Killersatellit eliminiert gerade unsere Kommunikationssatelliten im geosynchronen Orbit (GEO). Fliegen sie hin, und schalten sie ihn aus." Space Commander Graf Frederik von Hombug war ein Spezialist im Ausschalten von Dingen, und man konnte fast glauben, daß ihm das Ausschalten von Dingen Spaß machte. Als Graf Hombugs Shuttle im geosynchronen Orbit ankam, stellte er zuerst einmal fest, daß die fehlenden Kommunikationssatelliten nicht nur beschädigt oder kleine in Stücke zerlegt waren, sondern sie waren ohne jede Überreste einfach verschwunden. Wie Graf Hombug bereits befürchtet hatte, war keine Spur eines Killersatelliten zu sehen, mit dem Radar zu orten, oder auf dem Infrarotbildschirm zu erkennen. "Unsichtbare Dinge verdecken aber immer noch ihren Hintergrund", dachte sich Graf Hombug, und er steuerte deshalb sein Shuttle auf eine Umlaufbahn oberhalb oder außerhalb des geosynchronen Orbits. Dann musterte er das Bild der Erde, und nach etwa acht Stunden zog ein schwarzer, rochenförmiger Schatten über das Bild der Erde. "Das war ja fast zu einfach" murmelte Graf Hombug, und flog langsam auf dieses seltsame Objekt zu. Das hätte er lieber nicht machen sollen. Das Objekt schwenkte blitzartig zu Hombugs Shuttle herum, zeigte zwei Reihen von Haifischzähnen aus Diamant, und verschluckte das Schiff von Graf Hombug glücklicher weise in einem Stück. Schlagartig wurde es finster um Graf Hombugs Shuttle. Graf Hombug schaltete die Außenscheinwerfer ein, und bemerkte, daß einige robotische Greifzangen an der Außenhülle seines Shuttles herum zwackten. Weil Space Commander Graf Frederik von Hombug ein Spezialist im Ausschalten von Dingen war, zerschmolz er erst ein mal diese Greifzangen mit seinem Laser. "Jetzt wäre es schön, wenn wir die Steuerzentrale dieses seltsamen Objektes ausschalten könnten", dachte sich Graf Hombug, und er überlegte weiter: "Auf Oberflächen bewegliche Objekte sind deshalb bilateral symmetrisch, weil es oben und unten, sowie vorne und hinten gibt. Auf Oberflächen ruhende Objekte sind deshalb rotationssymmetrisch, weil es oben und unten gibt. Im Weltraum bewegliche Objekte sind deshalb rotationssymmetrisch, weil es vorne und hinten gibt. Die bilateral symmetrische Rochenform deutet darauf hin, daß dieses Objekt auch innerhalb einer Atmosphäre fliegen kann." Graf Hombug brannte mit seinem Laser ein tiefes Loch durch jene Stelle des Weltraumrochens, an der er die Steuerzentrale vermutete. Sofort hörten alle mechanischen Aktivitäten des Objektes auf. Graf Hombug watete im Raumanzug durch die Überreste der Kommunikationssatelliten, und sammelte deren Mikroprozessoren ein, denn diese würden ihm eine hohe Bergungsprämie einbringen. Dann kletterte er aus dem Maul mit den vielen spitzen Diamantzähnen hinaus, auf die Vorderseite des Weltraumrochens, wo er ein riesiges Auge vorfand. Graf Hombug leuchtete mit der Taschenlampe in die Pupille hinein, und sah ein seltsames Abbild des Sternenhimmels. Die weiter entfernten Sterne waren als kleine Punkte abgebildet, die näher liegenden Sterne waren als dünne, radial verlaufende Linien zu sehen, und unsere Sonne hatte sich genau in der Bildmitte als dicker Lichtfleck eingebrannt. Graf Hombug machte eine Fotografie, um später den Herkunftsort dieser seltsamen Lebensform bestimmen zu können. Dazu würde er aber noch längere Zeit nicht kommen, denn ein weiterer Funkspruch traf ein: "Gehen sie sofort in den erdnahen Orbit, und übernehmen sie ein anderes Raumschiff. Ein Wruksches Schlachtschiff hat die Flottenbasis auf Ganymed bombardiert. Die Besatzung der Flottenbasis hat sich in ihre Bunker zurück gezogen, und wartet nun auf unser Eingreifen." Graf Hombug staunte nicht wenig, als er sein neues Raumschiff zum ersten mal sah. Offenbar hatte jemand einen Autoreifen, eine dickbauchige Chiantiflasche, und zwei Regenschirme irgendwie zusammen geklebt. Graf Hombug taufte sein neues Schiff auf den Namen Seepferdchen, obwohl die Bezeichnung Schrotthaufen eher gepaßt hätte. Durch das Wechselspiel von Licht und Schatten sah dieses Schiff gelegentlich wie ein Seepferdchen aus, und Namen wie Hellfire oder Thunderstorm wären noch viel weniger geeignet gewesen. Der Autoreifen enthielt das Lebenserhaltungssystem und die Kommandozentrale. Er war entlang seines großen Umfanges von parallelen Supraleitkabeln umgeben, die außerhalb des Reifens ein riesiges Magnetfeld aufbauen konnten, während im Inneren dieses stromführenden Rohres kein Magnetfeld entstehen konnte. Das diente nicht nur zum Schutz vor dem Sonnenwind, sondern funktionierte auch als M2P2-Triebwerk (Mini-Magnetospheric Plasma Propulsion). Weil sich parallele Ströme gegenseitig anziehen, kompensierte das Magnetfeld auch teilweise den Luftdruck im Inneren des Reifens, aber darauf hatte man sich glücklicherweise nicht verlassen. Die Regenschirme waren aufblasbare, gekrümmte Solarsegel, die neben dem von ihnen erzeugten Lichtdruck auch einen heißen Sonnenfokus erzeugen konnten. In letzterem befand sich die Graphitdüse des SOTV-Triebwerks (Solar Orbit Transfer Vehicle). Einer dieser Schirme war so montiert, daß er seinen Schatten immer auf die Supraleiter des Reifens, und auf die Chiantiflasche mit dem flüssigem Helium warf, um beides immer kühl zu halten. Die riesige Chiantiflasche mit flüssigem Helium steckte in der Mitte des Autoreifens, und wurde sowohl für das M2P2- als auch für das SOTV-Triebwerk benötigt. Die Weltraumtechniker hatten noch hastig einen zusammen gefalteten Quarzglasfaserballon für die atmosphärische Bremsung, eine Gaußkanone, und ein Führungsrohr mit einem 4FN4-Waffensystem eingebaut, was dem Seepferdchen endgültig die Eleganz eines wahllos vollgestopften Kellerregals verlieh. Graf Hombug freute sich zwar über das 4F, eine vierstufige Fission-Fusion- Fission-Fusion-Nuklearwaffe mit rund fünfhundert Megatonnen Trinitrotoluol Standardsprengkraft, aber das N4-Trägersystem dieser Waffe war bei der Raumflotte nicht besonders beliebt. N4 war die Abkürzung für NERVA Version 4 (Nuclear Engine for Rocket Vehicle Application), die das alte Timberwind-Programm abgelöst hatte. NERVA war nichts anderes als ein weißglühender, nicht abgeschirmter Plutoniumreaktor, der notdürftig mit flüssigem Wasserstoff gekühlt wurde. Auf Grund der austretenden Strahlung, und der radioaktiven, weißglühenden Abgase wurde das N4-Trägersystem von den Raumfahrern gerne als langsam explodierende Wasserstoffbombe bezeichnet. Für Space Commander Graf Frederik von Hombug waren aber immer noch die Befehle verbindlich, und ein Gegner war zu vernichten. Er drehte das Seepferdchen mit dem Lichtdruck der Sonnensegel in die richtige Position, und leitete dann das flüssige Helium in die glühende Graphitdüse des SOTV-Triebwerks, was das Schiff zügig aus der Magnetosphäre der Erde hinaus brachte. Draußen, im Sonnenwind, flutete er das Magnetfeld des Schiffes mit Heliumplasma, was eine hundert Kilometer durchmessende, glühende Plasmakugel ergab, die vom Sonnenwind ziemlich schnell in die Richtung zum Jupiter katapultiert wurde. Das Ultraschlachtschiff der Wruks sah den Tod auf sich zu rasen, denn die hundert Kilometer durchmessende, glühende Plasmakugel des M2P2-Triebwerks hätte noch ein halb blinder Wruk ohne Brille erkennen können. Sofort feuerten sämtliche Laserkanonen des Ultraschlachtschiffes auf diese Plasmakugel. Es ist natürlich nahezu unmöglich, ein nur fünfzig Meter kleines Raumschiff in einer hundert Kilometer großen Plasmakugel zu treffen, denn dieses Plasma ist für Radar und Licht völlig undurchlässig, vom Infrarot ganz zu schweigen, denn die Wruks heizten das Plasma nur zusätzlich auf. Graf Hombug schaltete nun das M2P2-Triebwerk aus, und das SOTV-Triebwerk ein, das auf Grund der großen Sonnenentfernung nur sehr träge ansprach. Die Plasmawolke des M2P2-Triebwerks löste sich schnell auf, und Graf Hombug feuerte das 4FN4-Waffensystem auf das nun deutlich sichtbare Ultraschlachtschiff der Wruks ab, wobei er das SOTV-Triebwerk verwendete, um möglichst schnell aus dem radioaktiven, weißglühenden Abgasstrahl des N4-Trägersystems heraus zu kommen. Leider schützen Magnetfelder nicht vor Neutronen und Gammastrahlung. Das Ultraschlachtschiff der Wruks hatte gegen ein zielsuchendes Waffensystem vom Typ des 4FN4, das mit hundert g beschleunigen konnte, nicht die geringste Chance. Ein gigantischer Feuerball erhellte die Oberfläche des Ganymed, und Graf Hombugs Körper wurde schon wieder von zahlreichen Neutronen, Gammaquanten, und Neutrinos durchquert. "Die Neutrinos sehe ich am liebsten", dachte er sich, während er das Knistern seiner DNA zu hören vermeinte. Leider hatte das Ultraschlachtschiff der Wruks noch die Gelegenheit gehabt, vor seiner Vernichtung einige Raumjäger auszuschleusen. "Die geben wohl nie auf", dachte Graf Hombug. Er ging in einen retrograden (gegenläufigen) Orbit, und schaltete die Gaußkanone auf Dauerfeuer, bis das Magazin leer war. Die nahezu unsichtbaren Stahlkugeln der Gaußkanone würden den Ganymed wie heimtückische, kleine Monde beschützen, und jedes ahnungslose Raumschiff, das den Fehler machte in eine Standardumlaufbahn einzutreten, würde von ihnen in Stücke gerissen werden. "Das ist der Tod, den man nicht kommen sieht", murmelte Graf Hombug. Tatsächlich war das einzige nicht gefährdete Raumschiff über Ganymed das Seepferdchen, denn es flog in die gleiche Richtung wie seine Stahlkugeln. Graf Hombug funkte die Überlebenden der Flottenbasis Ganymed an: "Ihr könnt jetzt aus den Bunkern heraus kommen, und die Landungstruppen der Wruks eliminieren. Ich komme jetzt ungesteuert, und mit einer heftigen Überschallschockwelle hinunter. Haltet mir die Landezone frei". Graf Hombug blies den Quarzglasfaserballon für die atmosphärische Bremsung mit dem letzten Helium auf, das er noch hatte, und knallte damit in die Atmosphäre des Ganymed hinein. Ohne seine mit Salzwasser gefüllte Gummiluftmatratze hätte er die dabei auftretenden g-Werte wohl kaum lebend überstanden. Die Überlebenden der Flottenbasis Ganymed trugen Graf Hombug vor Begeisterung johlend aus dem Wrack des Seepferdchens, und verliehen ihm sofort die goldene Kniescheibe, den Ehrenorden der Todeslegion. "Nachdem mein Seepferdchen nie wieder fliegen wird, schenke ich es der Flottenbasis Ganymed als Material für den Wiederaufbau", revanchierte sich Graf Hombug umgehend. Literatur: Vereinfachtes Funktionsschema des Seepferdchens: http://members.chello.at/karl.bednarik/TORUS-R.PNG Dashing and Coasting to the Interstellar Finish Line: http://science.nasa.gov/newhome/headlines/prop19aug99_1.htm Per Anhalter unterwegs in einer magnetischen Blase: http://www-users.rwth-aachen.de/matthias.paetzold/ssj/technik041000.html Pneumatic Photo-concentrator for Space Applications: http://teamster.usc.edu/~dteam/SpaceMirror/index.html Solar Thermal Propulsion (STP): http://www.stg.srs.com/atd/advpolymers.htm NERVA (heute ganz ohne MI): http://de.wikipedia.org/wiki/NERVA Timberwind: http://de.wikipedia.org/wiki/Timberwind Zar-Bombe: http://de.wikipedia.org/wiki/Zar-Bombe